Wirtschaftsspiegel Thüringen 2/2015 - Thüringer Schätze - page 30

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Foto: Peter Schmelzle/Wikipedia
Ungeahnt schnell, vorzüglich
und sehr teuer
„Ich hätt Euch viel zu schreiben, hab
aber viel zu schaffen. Der allmächtige
Gott will mich der Welt ganz müd ma-
chen ...“, heißt es in einem Brief, den Lu-
cas Cranach d. Ä. an den „Gothaer Re-
formator“ Friedrich Myconius schrieb.
Allein schon diese zwei Sätze lassen
erahnen, wie prall gefüllt die Auftrags-
bücher des Mannes gewesen sein müs-
sen, der 1472 im fränkischen Kronach geboren und
zum Begründer einer bis dahin in Deutschland einzig-
artigen Maler-Dynastie wurde. Obgleich die meiste
Zeit seines Lebens in Wittenberg zuhause, war für den
Meister auch Thüringen ein wertvolles Pflaster. Manch
großer Auftrag hatte hier seine Herkunft. Mit Blick auf
die sich vollziehende Reformation fand er hier inte-
ressante Gesprächspartner. Und von hier – nämlich
aus Gotha – stammte seine spätere Ehefrau.
Versetzen wir uns zunächst zurück in
den Zeitenlauf, in dem die künstlerisch
wie geschäftlich begnadete Cranach-
Familie lebte und Spuren hinterließ,
wie sie eindringlicher, dauerhafter und
farbenfroher kaum sein konnten! Wie-
wohl Radio, Fernsehen, Handy oder
Facebook erst fünf Jahrhunderte später
in das Leben der Menschheit traten und
die uns heute selbstverständliche blitz-
schnelle Kommunikation rund um den
Erdball ermöglichten, verbreiteten sich
auch seinerzeit diese und jene Nach-
richten mehr oder weniger schnell und
wahr. Von reitenden Boten überbrachte
Briefe, von Reisenden aus fernen Län-
dern mitgebrachte Berichte oder auch
nur das Weitererzählen dessen, was in
der nahen Umgebung geschah, fütter-
ten die Gespräche bei Hofe nicht weni-
.
Altar der Stadtkirche in Neustadt/Orla: Die Künstlerwerkstatt der Cranachs
.
.
war ein florierendes Unternehmen mit lukrativen Aufträgen.
.
In diesem Jahr würdigt die bis ins Jahr 2017 reichende Lutherdekade unter dem
Motto „Bild und Bibel“ den 500. Geburtstag von Lucas Cranach dem Jüngeren.
Kann das aus diesem Anlass für 2015 ausgerufene Cranachjahr ein Thema auch
für den WIRTSCHAFTSSPIEGEL sein? Sehr wohl, meint unser Autor Heinz
Stade. Dies nicht nur mit Blick auf das Sprichwort, wonach Kunst nun einmal
nach Brot gehen müsse. Vielmehr trat mit der Cranach-Dynastie immitteldeut-
schen Raum erstmals eine innovative, unternehmerisch geführte Künstler-
werkstatt auf den Plan, wie man es in dieser Branche bis dahin nicht kannte.
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