Wirtschaftsspiegel Thüringen 2/2015 - Thüringer Schätze - page 36

Unternehmertum
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Foto: Clockwise
Der Thüringer Mittelstand der
Zukunft: Ein Licht geht auf!
Politische Debatten, wie wir sie in den
letzten Wochen medial verfolgen konn-
ten, gehen in ihren Deutungen Hand in
Hand mit dem vielzitierten Ausspruch
von Sir Winston Churchill: „Manche Leu-
te halten den Unternehmer für einen
räudigen Wolf, den man totschlagen
müsse. Andere sehen in ihm eine Kuh,
die man ununterbrochen melken könne.
Nur wenige erkennen in ihm das Pferd,
das den Karren zieht.“ Wen wundert es
daher überhaupt, dass wir landauf,
landab in Deutschland das Problem ha-
ben, dass es immer weniger Gründer/in-
nen und Nachfolger/innen gibt, um die
Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirt-
schaft zu erhalten. Junge Menschen, die
es wagen, kleine innovative Technolo-
giebetriebe oder mittelständische Han-
dels- und Produktionsunternehmen zu
gründen oder zu übernehmen, benöti-
gen wir auch in Thüringen mehr denn
je: Allein bis 2018 stehen ca. 2.900 Un-
ternehmensnachfolgeregelungen an –
und auf 100 Gewerbeanmeldungen im
Jahr 2014 kamen 110 Abmeldungen.
Zur Wendezeit gab es eine gute Grün-
derkultur, als viele Jungunternehmer/-
innen es gewagt haben, ein Unterneh-
men zu gründen oder zu übernehmen –
mit meist positivem Ausgang. Innova-
tive Start-ups und Nachfolger von heu-
te sind der Mittelstand von morgen: Wie
müssen also eine neue Gründerzeit und
neuer Gründergeist aussehen, damit die
Thüringer Wirtschaft auch in 25 Jahren
noch stark ist?
Thüringen kann, wie auch Berlin, Mün-
chen oder Hamburg, zu einem relevan-
ten Wirtschaftsstandort für Gründer und
Nachfolger werden: Es muss dafür nur
ein Licht aufgehen! Dafür müssten die
bestehenden Potenziale des Wirt-
schaftsstandortes Thüringen nur stärker
genutzt werden, um in der Wahrneh-
mung attraktiv zu sein und damit zu-
kunftsfähig zu bleiben. Thüringen hat
viel Potenzial gerade im Bereich der innovativen
Gründungen im produzierenden und verarbeitenden
Gewerbe sowie High Tech. Thüringen hat eine gute
Infrastruktur bestehend aus Wirtschaftsförderungen,
Kammern, Hochschulen, Verbänden und Initiativen,
die den gesamten Prozess der Gründung und Nach-
folge unterstützen können. Mit dem ThEx gibt es erst-
malig eine zentrale, koordinierende Anlaufstelle für
das Thüringer Gründungs- und Nachfolgegeschehen
und mit der Ignition fand die erste Thüringer Grün-
dermesse statt. Durch die Schaffung solcher Struk-
turen und Projekte ist die Grundlage gelegt für eine
offene und freundliche Gründer- und Nachfolgerszene.
Ziel sollte es sein, dass aus diesen Strukturen und
Projekten ein großes Thüringer Gründer- und Nach-
folgeprogramm entwickelt wird, dass die Szene gera-
de in den Großstädten stärkt. Dieses Programm defi-
niert die Ziele der beteiligten Akteure, unterstützt die
Zielerreichung und schafft eine gründungsfreundliche
und strukturierte Prozessarchitektur: Warum sollte ein
Staat nicht als Accelerator fungieren können? Es ist zu
überlegen, ob die Etablierung eines großen staatli-
chen Gründerfonds nicht helfen würde,
eine Anschubfinanzierung für sehr viele
innovative Start-ups und Unterneh-
mensnachfolgen zu ermöglichen. Pri-
vate Investoren und VCs können im
Bereich der Wachstumsfinanzierung er-
mutigt werden, sich in Thüringen noch
mehr zu engagieren. Kooperationen
zwischen gestandenen Unternehmen
am Markt und innovativen Start-ups
sollten ausgebaut werden, da diese
Kontakte gerade für erfolgreiche Grün-
dungen überlebenswichtig sind: Keine
Kunden, kein Geld, keine Firma. Daher
ist es enorm wichtig, Gründer mit
Unternehmern zusammenzubringen,
um konkreten Absatz zu erzielen. Auch
Universitäten sollten mehr motiviert
werden – es gibt leider immer noch
Lehrstühle, die außeruniversitäres En-
gagement für die Verwirklichung unter-
nehmerischer Ideen nicht begrüßen;
kostengünstiger Büroraum an Hoch-
schulen und Gründerzentren allein ist
eben begrenzt. Und es wäre doch
schön, wenn Gründer und Nachfolger
wüssten, dass sie zum Austausch, Netz-
werken und zur Verwirklichung der Idee
in bestimmte Gründercafés zumindest
in Großstädten gehen könnten.
Allerdings: Rahmenbedingungen sind
nur ein Teil auf dem Weg zum Erfolg.
Wir müssen auch einsehen, dass nicht
jeder Unternehmer sein kann oder über
Nacht zum Unternehmer werden kann.
„In Zeiten, in denen es Unternehmer
aufgrund von Bürokratie, Regulierungen
und Vorschriften immer schwerer ha-
ben, wird die Mentalität zu einem ent-
scheidenden Wettbewerbsfaktor. Reines
Fachwissen und eine gute Idee reichen
heute nicht mehr. Es braucht Mut, per-
manente Veränderungsbereitschaft und
den unbedingten Willen, produktive
Werte für andere Menschen zu schaf-
fen“, unterstreicht Veränderungsexperte
Ilja Grzeskowitz. (cw)
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Christian Wewezow,
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Managing Partner bei Clockwise Consulting
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und Kuratoriumsvorsitzender der
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Oskar-Patzelt-Stiftung, fordert ein
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besseres
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Gründerklima in Thüringen.
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